Auch wenn viele Leute das bis heute nicht wahrhaben wollen: Justin Bieber ist mittlerweile 27 und ein gereifter, ernsthafter Musiker. Keine Ahnung, wieso so viele Leute so tun, als sei er immer noch der 15-jährige Teenager, der kitschige Liebeslieder singt.
Justin Bieber droppt mit Lonely seinen wahrscheinlich ehrlichsten Song ever
Justin Bieber musste abliefern
Justin Bieber hat in den letzten Jahren viel versucht, um diesem Image zu entfliehen. Auf „Purpose“ war er so verletzlich und persönlich wie noch nie, mit „Changes“ wollte er ein R’n’B-Album machen, um ein wenig aus der Popwelt auszubrechen. Das hat leider überhaupt nicht geklappt. Zwar wurde er für den Grammy nominiert, jedoch nicht in der Kategorie „R’n’B“. Zwar waren die Zahlen so, dass andere Künstler*innen nur davon träumen könnten, die Kritiken aber eher schlecht bis vernichtend. Mit „Justice“ musste sich also etwas ändern.
„Justice“ zeigt einen ausgeglichenen Justin Bieber
Ich will es mal so sagen: Justin Bieber hat sich mit „Justice“ dadurch bewiesen, dass er erkannt hat, dass er eigentlich niemandem etwas beweisen muss. Musikalisch gesehen passiert auf dem Album nicht viel, das man nicht an anderer Stelle schon von ihm gehört hat – nur besser umgesetzt.
Die R’n’B-Songs wie „Peaches“, die auf „Changes“ uninspiriert klangen, werden hier zu Anwärtern für den Soundtrack des Sommers (sofern wir denn einen bekommen werden…).
Statt sie zu verstecken, steht er stolz dazu, große Pop-Hits zu machen und liefert seinen langjährigen Fans genau das, was sie einst zu langjährigen Fans gemacht hat.
Diese Ausgeglichenheit, zu wissen, wo man steht und wer man sein will, zieht sich bei Justin Bieber gerade durch sein ganzes Leben. Seine scheinbar wahnsinnig glückliche Ehe mit Hailey Bieber und sein Glaube haben Ordnung in sein Leben gebracht.
Darum ist das Album auch durchzogen von Liebessongs. Und die sind gut. Teilweise sogar sehr gut. Trotzdem ist genau das am Ende Teil des Problems von „Justice“.
„Justice“ hat aber ein großes Problem
Weil es eben so ein positives und mit Liebe durchtränktes Album ist, ist der nach Protest klingende Titel „Justice“ etwas irreführend. Auch die beiden eingespielten Interludes, in denen Martin Luther King zu hören ist, haben hier einfach nichts verloren.
Man lässt nicht Martin Luther King über die auf Rassismus basierende Ungerechtigkeit in den USA sprechen, um einen süßen 80’s-Popsong wie „Die For You“ einzuleiten. Gleiches gilt für den Opener „2 Much“.
Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass Bernice King, die Tochter von Martin Luther King, das Ganze abgesegnet und sich sogar dafür bedankt hat.
Aber ich bleibe dabei: Für mich ist es ein kläglicher und unnötiger Versuch, das Album irgendwie zu politisieren, weil das eben gerade in die Zeit passt. In einem Post gibt Justin Bieber das sogar selbst zu. Er wolle Musik machen, mit der sich Leute identifizieren können, damit man so wieder besser zueinander findet und über Gerechtigkeit sprechen kann. Das wäre sein Part, um etwas dazu beizutragen. Mag sein, aber das ginge auch ohne den Revoluzzer-Pathos. „Justice“ dreht sich nun mal nicht um Justice, sondern um Justin. Und das ist absolut okay. Aber dann belasst es auch dabei.